was du tagtäglich als Führungskraft erlebst und wovon du so anschaulich in deinem Brief berichtest, ist tatsächlich haarsträubend. Ohne Frage. Und für mich als Coach kenne ich das aus meiner Arbeit sehr gut.
Heute müssen Führungskräfte das umsetzen, was die hübschen Plakate an den Wänden verkünden: Vertrauenskultur, Agilität, digitale Transformation, Fehlertoleranz, Work 4.0 … Die Liste ist endlos. Und alle paar Monate kommt ein neuer Trend auf die Agenda – als Anforderung an die Führungskräfte. Das Problem dabei ist nur:
Das Ergebnis sind Führungsteams, die zum Beispiel eine Vertrauenskultur aufbauen und leben sollen – gleichzeitig aber jede einzelne Taxifahrt ihrer Mitarbeiter zum Kongresshotel absegnen müssen. Die eine Fehlerkultur und offene Kommunikation etablieren sollen, allerdings für jeden offen eingestandenen Fehler ihrer Abteilung eine Rüge von der nächsthöheren Ebene einstecken müssen. Die eigenverantwortliche Mitarbeiter fördern sollen und zur gleichen Zeit die Vorgabe haben, jeden Schritt ihres Teams im Prozess zu kontrollieren.
Gibt es überhaupt noch gute Führung in der rauen Wirtschaftswelt? Klar ist: Wenn sie nicht wertgeschätzt wird, verkümmert sie. Ich aber glaube an gute Führung. Mein Credo lautet: Gute Führung ist eine Frage des Stils. Und da halte ich mich an Coco Chanel, wenn ich sage: Stil vergeht niemals. Sie drückt das so aus:
Natürlich ebnen die heutigen Unternehmen nicht den Weg für Führungskräfte mit Stil. Unternehmen machen einen typischen und durchaus nachvollziehbaren Fehler. Sie doktern an ihrer Unternehmenskultur herum, ohne vorher die dafür nötige Struktur geschaffen zu haben. Sie machen Atemübungen, ohne vorher ihr Korsett aufzuschnüren. Dass das nicht gut gehen kann, ist offensichtlich. Und die Leidtragenden sind letztlich die Führungskräfte, die mit dem Kulturwandel beauftragt wurden und deren Teams ergebnislos nach Luft schnappen, weil das beengende System im Weg steht.
Je weniger Spielraum dir bleibt, desto eher fühlst du dich als Opfer des Systems, das jegliche zielführende Führungsarbeit geradezu unmöglich macht. Aber ich möchte dir Mut machen und sagen: Du bist kein Opfer des Systems. Systeme sind von Menschen gemacht, und sie können auch von Menschen abgeschafft oder verändert werden. Mit deinem Tun kannst du einen wertvollen Beitrag zur Veränderung liefern.
Was es sehr wohl gibt, ist ein gelingender Führungsstil. Ein Führungsstil, bei dem es zählt, Ziele zu erreichen, Klarheit zu schaffen und Entscheidungen zu treffen.
Diese Art von Stil entspricht für mich dem Stil des perfekten Gentlemans. Denke nur an den frühen James Bond zurück. Sean Connery hat in seiner Rolle als 007 ohne Frage Stil – und das obwohl er sich nicht allseits beliebt macht und seine Entscheidungen nicht immer im Konsens mit Miss Moneypenny und Co. trifft.
Stil in der Führung heißt für mich, dass du den James Bond (oder auch die Jane Bond) in dir wecken musst. Dass du Missstände kritisch und hart anpackst und dabei dennoch souveräner Gentleman bleibst. Das ist Stil. Den Mund aufzumachen und sich dadurch durchaus auch mal angreifbar zu machen, anstatt wie alle anderen mutlos dem jeweils neuesten Modetrend nachzulaufen.
Du bist dabei weder Sozialromantiker, noch von Macht besessen. Sondern du reflektierst: Was ist in der aktuell vorliegenden Situation von mir in meiner Rolle gefragt?
Denn alles andere führt nur dazu, dass du eine Show aufführst. Wenn du hingegen konsequent handelst und kommunizierst, zeugt deine Führung nicht nur von Stil. Du erfährst auch eine ganz neue Wirksamkeit im Angesicht des erdrückenden Systems.
Stil in der Führung führt dich zurück in eine wirksame Führungsrolle und heraus aus dem Frust. Damit bist du zeitlos und ewig modern. Was sich auch für Trends in der Wirtschaft ergeben sollten: Du agierst souverän, auch unter Unsicherheit. Und du wirst nach und nach deinen ganz eigenen unverwechselbaren Stil finden. So sagte Coco Chanel, die ich zum Abschluss nochmals zitiere: „Die beste Farbe auf der ganzen Welt ist die, die gut an dir aussieht.“
Ich sende Dir herzliche Grüße,