Den Kampf gegen die Vergänglichkeit werden wir verlieren – also nutzen wir diese doch!

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Den Kampf gegen die Vergänglichkeit werden wir verlieren – also nutzen wir diese doch!

Vergänglichkeit, Antje Bach, Blog

Liebe Christine

jedes Jahr feiern wir das Osterfest und damit die Auferstehung Jesu Christi. Das Datum wechselt Jahr für Jahr. Aber das, worum es geht, ist fix. Doch du fragst, wie ich finde, zu Recht: Worum geht es uns heute eigentlich bei diesem Fest? Denn um die Osterhasen geht es doch wohl in erster Linie nicht, so niedlich sie auch sein mögen. So nett uns auch die Mär vom Osterhasen als Kindern war. Es geht bei diesem Fest traditionell um das Leiden, Sterben und die Auferstehung des Mannes aus Nazareth, vor mehr als 2000 Jahren. 

Was, so verstehe ich deine Frage, hat das heute noch mit uns zu tun? Geht es vielleicht auch um das Sterben, den Tod, die Vergänglichkeit und die Auferstehung, was auch immer wir damit verbinden, in unserem eigenen Leben?

Ja, ich glaube schon. Geburt, Leben, Sterben und Tod bilden eine Einheit, einen Zyklus. Den haben wir alle gemeinsam. Wir alle werden geboren, leben und sterben. Das Leben ist nun mal endlich.

Doch das Ende des Lebens wollen wir nicht wahrhaben. Wir wissen, dass wir eines Tages sterben werden, verdrängen das aber ganz gut. Wir haben Angst davor und schauen weg. Keiner schaut dem Tod gerne direkt ins Auge! Wir wollen ja leben!

Doch wir müssen festhalten, dass Sterben auch Erneuerung bedeutet. Das begegnet uns auch in der Natur. Jeder Baum, jedes Tier ist ebenfalls diesem Rhythmus unterworfen. Auch in den Jahreszeiten finden wir dieses Moment. Im Herbst, im Winter stirbt, was sterben muss, damit Neuerung im Frühjahr möglich ist. Die Blätter fallen von den Bäumen, sie machen Platz für neue. Blüten verwelken, damit neue erblühen können. 

Selbst Sterne verglühen – wir sehen sie noch, doch existieren sie nicht mehr.

Wir Menschen erleben durch den Tod unsere Vergänglichkeit – und damit vielleicht auch die Frage nach unserer Bedeutung. Vielleicht messen wir ja unserer eigenen Existenz auch beizeiten zu viel Bedeutung zu. Vielleicht täten wir gut daran, auch die Bedeutung anderer Leben mehr in den Fokus zu bekommen. Mal von uns abzusehen. Vielleicht könnten wir dadurch weniger egoistisch an der Lebendigkeit anderer Wesen teilhaben. 

Ob wir mehr Angst vor den Fragen haben, die mit dem Tod zusammenhängen, oder vor dem Tod selbst, ist auch schon wieder eine Frage. Vielleicht ja eine Osterfrage. Fakt ist, wir wollen den Tod nicht in unserer Nähe. Unsere Nächsten, wenn sie dem Tod gegenüberstehen, schieben wir in Kliniken und Hospize ab. 

Wir schaffen eine todesfreie Zone um uns. Und berauben uns damit wichtiger Fragen und Einsichten: Wozu sind wir hier, wenn wir schon sterben müssen? Wo soll unsere Reise hingehen?

Wenn wir den Tod ausklammern, können wir auch nicht von ihm für das Leben lernen. Ich meine, es ist erst möglich, das Leben in all seiner Fülle, in all seinen Höhen und Tiefen zu leben, wenn wir die Vergänglichkeit akzeptiert haben. Erst, wenn ich weiss, dass ich sterben werde, weiss ich, spüre ich oder kann ich spüren, dass ich lebendig bin, wenn ich lebe. Das ist Leben!

Darüberhinaus treffen wir das Sterben, den Tod auch im übertragenen Sinne andauernd in unserem Leben an. Wenn wir uns getrauen, genau hinzuschauen. Wenn wir zunächst widrige Veränderungen in den Blick bekommen. So verlieren wir unsere Kindheit, wenn wir zu Erwachsenen werden. Das mag erst ganz grandios sein, der Wechsel in die Selbständigkeit und Freiheit. Aber wir verlieren bestenfalls auch eine Kindlichkeit, nach der wir uns später oft zurücksehnen und die nur schwer wiederzuerlangen ist, natürlich unter einem reiferen Vorzeichen. Wir verlieren auch Freunde, Partner, Eltern. Wir bringen vielleicht Dinge, die uns wichtig sind, durch schwierige Umstände nicht zu Ende, wie vielleicht eine Ausbildung oder ein Studium. Wir kündigen oder werden gekündigt. Wir fangen irgendwo neu an und sehen uns einem Chef ausgesetzt, der, das mag uns dann das Letzte sein, was wir von uns erwartet hätten, uns nach dem alten Chef zurücksehnen lässt. 

Überhaupt sind Hoffnungen, Vorstellungen, Sehnsüchte, die sich nicht erfüllen, in gewissem Sinne Sterbeprozesse. So ist es bekanntlich die Hoffnung, die als Letztes sterbe. Zumindest sagt man das so. 

Und all diese Sterbeprozesse sind erfüllt von Traurigkeit, Leid, Verwirrung und Hilflosigkeit. Wir stehen in der Mitte des Kreises. Wir können uns diesen Prozessen nicht entziehen. All das macht unser Leben aus. 

Vergänglichkeit ist für mich ein ganz wichtiges Thema, das das Osterfest aufzeigt. Wir wollen Vergänglichkeit nicht, wir wollen keine Veränderung. Wir wollen keine Angst, keine Trauer, keine Hilflosigkeit, keinen Schmerz. Und wirklich durchleben wollen wir das Ganze schon gar nicht. 

Was wir wollen, ist Sicherheit. Und dafür nehmen wir ins Visier, was diese Sicherheit gefährden könnte. Klar, dass Sterben und Tod die Kandidaten mit dem grossen Gefährdungspotential sind. Sie gehören abgeschafft. 

So sichern, riegeln wir unsere Zukunft ab. Wir leben eher im Angesicht von Versicherungen als im Angesicht des Lebens – und damit auch schon wieder im Angesicht des Todes. Weil wir das Leben kontrollieren und damit abwürgen. Wir stolpern über unsere eigene Starre, mit der wir Sicherheiten erzwingen wollen, die es einfach nicht im Leben gibt. Und indem wir wegdrängen und verdrängen, vergeuden wir unsere Möglichkeiten – statt wirklich zu leben. Das hiesse für mich: Wir machen uns nichts vor. Wir erwarten nicht, was nicht zu haben ist, nämlich allzeit gutes Wetter. Sondern wir konfrontieren uns mit der Gesamtheit des Lebens, der Geburt und dem Tod, dem Glück und dem Unglück und so fort. 

Wir werfen die Trägheit aus unserem Leben über Bord. Und schlagen einen neuen Kurs ein. Hin zu neuen Ufern. Das wäre Leben. 

So gesehen ist für mich das Osterfest, das Fest, bei dem Sterben, Tod und Auferstehung so eng beieinander liegen, ein wahres Fest. Weil mir das Sterben und der Tod keine Angst machen. Weil sie zum Leben dazugehören. Den Kampf gegen die Vergänglichkeit werden wir verlieren. Also nutzen wir diese doch für ein erfülltes Leben!

In diesem Sinne sende ich dir ganz herzliche Grüsse!

Deine Antje

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