in deinem letzten Brief hast du dich darüber gewundert, wieso bei manchen Menschen immer so eine schlechte Stimmung herrscht, während bei anderen meist die Freude und gute Laune überwiegt. Meiner Meinung nach kann das mehrere Gründe haben. Heute möchte ich für dich ganz speziell den Fisch der Aufmerksamkeit aus dem Meer holen.
Stell dir zum Beispiel mal Folgendes vor: Du stehst am Meer, es ist ein wunderschöner Tag, die Sonne scheint, eine leichte Brise weht dir um die Nase. Alles perfekt, eigentlich. Doch da liegt ein toter Fisch am Strand. Bewegungslos und mit glasigem Auge starrt er dich an, verwest langsam vor sich hin. Deine Gedanken kreisen nur noch um ihn. Wurde er vergiftet? Hat er gelitten, bevor er starb? Es könnte alles so schön sein, wäre da nicht dieser Fisch …
Und dieser wunderbare Tag am Meer ist versaut. Das ist aber allein deine Schuld. Denn deine Aufmerksamkeit nur auf den Fisch zu richten, macht ihn auch nicht wieder lebendig. Wieso fokussierst du dich stattdessen also nicht auf die warme Sonne? Das beruhigende Rauschen der Wellen? Den Sand unter deinen nackten Füßen, der so angenehm kitzelt?
Die Szenerie ist dieselbe – der Fokus deiner Aufmerksamkeit jedoch nicht.
Klar, unsere Biographie, unsere Erfahrungen – unser Lebensmeer – haben hier auch ein Wörtchen mitzureden. Wenn du einige frustrierende, enttäuschende Erfahrungen gemacht hast, ist die Gefahr groß, deinen Blick nur auf das Schlechte zu richten. Auf das Furchtbare statt auf das Fruchtbare.
Aber damit schneidest du dir ins eigene Fleisch. Es wird immer tote Fische geben, einen Sturm, der am Horizont aufzieht, oder bedrohliche Wellen, die über dir zusammenzuschlagen drohen.
Ich höre dich schon sagen: „Aber ich kann doch das Schlechte nicht immer ignorieren und zur Seite schieben. Ich kann doch nicht immer wegschauen!“ Nein, das kannst du nicht. Und das brauchst du auch nicht. Darum geht es gar nicht. Es geht darum, deine Aufmerksamkeit auf das Gute, auf das Positive, das Fruchtbare zu lenken.
Du kannst die Realität des toten Fisches sehr wohl würdigen. Aber darüber unglücklich zu sein, haucht dem Fisch auch kein Leben mehr ein.
Ich selbst gönne mir ab und zu Phasen des Selbstmitleids. Phasen, in denen ich nonstop auf den Fisch schaue, traurig bin, hadere. Diese Phasen gönne ich mir bewusst. Aber nicht länger als einen Sonntagnachmittag lang. Dann fokussiere ich mich wieder auf die Freude.
Das ist einfach eine Einstellungssache. In jedem Leben gibt es tote Fische. Aber ist dein Leben damit gepflastert? Vermutlich nicht.
Ich überlege mir zum Beispiel fünf Dinge, auf die ich mich freue, bevor ich aufstehe. So lenke ich meine Aufmerksamkeit auf die schönen Dinge – und versaue mir nicht meine Lebensqualität.
Und dazu möchte ich auch dich ermutigen: Fokussiere dich nicht auf den einen toten Fisch am Strand. Der ist und bleibt tot. Das ist traurig, sicher. Aber freue dich doch lieber über die ganzen vielen Fische im Meer, die noch mopsfidel durchs Wasser schwimmen. So überwiegt dann auch bei dir die gute Laune.