bei einem unserer letzten Online-Kurse haben wir die Frage aufgeworfen und dann aber doch vertagt, weshalb viele Change-Projekte in Unternehmen nicht funktionieren. Die will ich jetzt noch einmal aufgreifen, weil ich gemerkt habe, dass sie euch bewegt.
Dass ich so meine Skepsis gegenüber dem Begriff „Change“ habe, habe ich bereits durchblicken lassen. Den finde ich nämlich inzwischen auf eine Weise schillernd, dass er mehr ins Museum als in die Unternehmenspraxis gehört …
Warum? Dazu möchte ich euch heute zu einem Museumsbesuch einladen. Denn den Grund dafür, dass viele Change-Projekte nicht wirkungsvoll sind, wird vielleicht erleuchtender, wenn ihr die dem Change Management gewidmeten Räumen des Museums der Illusionen besucht habt.
In Unternehmen gibt es Change-Prozesse über Change-Prozesse, denn alle sind sich einig: Es braucht Veränderung und das nun schon seit Jahren. Eine grosse Anzahl dieser Change-Prozesse funktioniert aber nicht. Im besten Fall wird aus ihnen eine Success-Story gebastelt – aber Wirkung ist nicht entstanden.
Betrachten wir die Praxis des Change Management, ist es, als blickten wir in einen Zerrspiegel hinein: riesiger Kopf, winziger Körper, alle Proportionen wirken aufgeblasen, falsch. Und so ist es auch, denn der Aufwand ist riesig, winzig dagegen oft die Wirkung …
Es fängt schon mit dem Begriff an: Change, Veränderung – wofür? Häufig wird einfach verändert – wird aber auch verbessert?
Was genau muss denn verbessert werden und was ist heute schon einfach gut oder sogar hervorragend und müsste unbedingt bewahrt werden. Und auf welcher Ebene soll die Verbesserung wirken? Effizienz, Optimierung, Prozesse oder …?
Das wird oft nicht geklärt, sondern bleibt in seiner schillernden Vieldeutigkeit einfach so stehen. Hier nur einige der Illusionen, die daraus entstehen:
Die Natur bringt vielfältige optische Täuschungen hervor, der Klassiker: die Fata-Morgana. Eine Luftspiegelung, die durch das Aufeinandertreffen von Luftschichten mit unterschiedlicher Temperatur entsteht. Es muss windstill sein, so dass sich zwischen der warmen und der kalten Luft eine Grenze bildet.
Dieses Phänomen finden wir auch bei Change-Prozessen. Die Luftspiegelungen ergeben sich hauptsächlich aus der „heissen Luft“, die Menschen von sich geben. Die Aneinanderreihung von Buzzwords und leeren Worthülsen. Sie täuschen eine ach so klare Zukunft vor, wo alles ganz wunderbar ist und wir in einer paradiesischen Oase arbeiten. Oder eine Vergangenheit, in der doch alles so gut war.
Die unterschiedlich temperierten Luftschichten, die sich klar abgrenzen, lassen sich gut ausmachen: „Die da oben, die da unten, die anderen Abteilungen, die anderen Standorte etc.“ Und ja, es ist windstill – da gibt es keinen Hauch, der die Atmosphäre durchmischt und die Sphären verbindet. Dialoge, Gemeinsamkeit, Perspektivenwechsel finden nicht statt.
Stattdessen: Roadshows, prächtige Leitbilder, schillernde Gemälde, die in den Kaffeeecken über die ach so glorreiche Vergangenheit gemalt werden.
Sicherlich kennen Sie diese Bilder, die beim Betrachten den Eindruck erwecken, als würden Teile sich bewegen – obwohl es statische Bilder sind. Warum diese Illusionen entstehen, hat verschiedene Gründe. Häufig sind einzelne Objekte so vor einem Hintergrund abgebildet, dass unser Auge für die räumliche Lage keinen Anhaltspunkt findet. Dann spielt uns unser Hirn einen Streich und erfindet eine Lage. Warum wir sehen, was nicht ist – was unser Hirn so alles kann, werde ich gerne in einem nächsten Blog bei „Lichte und ohne Schillern und Flimmern“ betrachten.
Auch das ist eine beliebte Täuschung in Organisationen. Ein Beispiel: „Oh, da bewegt sich jetzt richtig was in diesem Change-Prozess …“ – von wegen. Bloss, weil jetzt Post-it-Zettelchen auf Wände geklebt werden, haben wir noch lange keine „agile Organisation“.
Ja, da werden viele Instrumente und Tools entworfen, um Bewegung vorzugaukeln, doch eigentlich läuft da nichts.
Da initiieren wir„Pilotprojekte“, befragen und reden immer mit den gleichen Menschen, die das super finden, was da jetzt passiert. Wir umgeben uns in den Unternehmen mit den Opportunen, die das sagen, was wir hören wollen und schon erschaffen wir eine Bewegungsillusion.Und am Ende bleibt das Gesamtbild doch statisch.
Die Möglichkeiten der Illusionen sind reich: Über die Genannten hinaus gibt noch akustische, haptische, thermische Täuschungen etc., die ebenfalls im Museum der Illusionen des Change-Management einen ehrenvollen Platz verdient haben. Denn auch sie werden mit viel Kraft, Energie und Engagement geschaffen.
Doch eines haben sie alle gemeinsam: Wenn wir aus dem Museum der Illusionen nach draußen treten, erleben wir die Ent-Täuschung.
Die fühlt sich nie gut an: Wir spüren Resignation, Frustration, Wut und noch manches mehr. Wo wir doch so gerne an die Fata Morgana glauben wollten …
Die Energie, die wir in die Täuschung gesteckt hatten, wird nun frei, der Zeitpunkt ist also gut, um klar zu sehen. Die Energie zu verwandeln und nun den Mut aufzubringen, wirklich in den unverzerrten Spiegel zu blicken.
Dieser Gedanke, den ich vom Dichter Ernst Ferstl entliehen habe (der allerdings nicht von Illusionen, sondern von Irrtümern schreibt), wandelt die Enttäuschungsenergie und lässt uns den Mut zur Klarheit finden. Zu welcher Klarheit? Das ist ein neues Kapitel, das ich in meinem nächsten Blog gerne aufschlagen möchte – und ich wünsche uns die Courage, auf diese Klarheit zu setzen und nicht lieber ein neues Ticket für das Museum der Illusionen zu ziehen.
Denn ich möchte mit euch lieber Illusionen im Theater oder im Kino erleben, und dann ganz gerne mit viel Budenzauber und Brimborium und Popcorn satt, statt mit anzusehen, wie ihr in Unternehmen ein Museum der Illusionen erschafft.
Liebe Grüsse,