Vermeiden heißt am Change scheitern

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Vermeiden heißt am Change scheitern

„Mögest du in interessanten Zeiten leben“, so lautet der sogenannte Chinesische Fluch. Und viele Menschen dürften angesichts des unübersehbaren Changes in den letzten Monaten sagen, dass dieser Fluch wahr geworden ist – und sich wünschen, sie würden in uninteressanten Zeiten leben. 

Aber ich denke, es gibt keine uninteressanten Zeiten, denn das Leben ist immer im Fluss. Alles verändert sich, laufend. 

Was denkt ihr, wie hoch der Anteil derjenigen ist, die dieser Einsicht und den Veränderungen lieber aus dem Weg gehen wollen? Die nicht die Courage aufbringen, sich darauf einzulassen? Die sich lieber etwas vorgaukeln? Ich denke, sehr hoch. Aber damit handeln sie sich die wirklichen Probleme erst ein. 

Vermeiden bringt Leiden: Wer Change um jeden Preis vermeiden, ihm ausweichen, ihn wegleugnen will, bringt sich in Gefahr. Das gilt für uns als Person und das gilt auch für Unternehmen.

 

Kein Chance, den Change zu vermeiden

Klar kann ich mit dieser Vermeidung auch eine Zeit lang Glück haben.  Vielleicht konnte ich mich schön treiben lassen, im bisherigen Fluss des Lebens gab es keine Hindernisse, keine umgestürzten Bäume, die gefährlich übers Wasser ragen, keine Sandbänke, auf die ich aufzulaufen drohte, die für Verwirbelungen sorgen, keine Stromschnellen, Stürme. 

Nun sieht plötzlich alles anders aus. Und ein ganz natürlicher Impuls ist, diese Situation, die als unbequem, unsicher oder gar als Gefahr erlebt wird zu vermeiden. „Dann bleibe ich halt schön am Ufer, sonne mich am Strand, gebe mich der Hoffnung hin, es wird schon wieder … Schwimmen erscheint mir zu gefährlich oder zu anstrengend.“ 

Aber diese Vermeidungsstrategie funktioniert nicht, weil es diese vermeintlich geschützte Uferzone nicht gibt. Ein Leben in immer währender Sicherheit existiert nicht. Wir laufen stets Gefahr, von Veränderungen erfasst zu werden. Veränderungen sind unvermeidbar. 

Auch wenn viele das gerne anders hätten.

 

Schuld sind die anderen

Zwar ist Change in aller Munde, gerade letzter Zeit, so nach dem Motto „Die Krise ist eine große Chance für Veränderungen“. Aber ich denke: Menschen wie Unternehmen wollen insgeheim von Change gar nichts wissen. Sie wollen gar nichts ändern. Eigentlich war doch alles gut … 

Mein Eindruck ist, dass manche Menschen (und in übertragenem Sinn auch Unternehmen) denken, sie hätten ein Anrecht auf ein problemloses und immer zufriedenes Leben. Geradeso als wäre es in ihrer Geburtsurkunde (oder in ihrer Unternehmenskultur) verankert, dass ihr Leben von unschönen Veränderungen nicht berührt werden wird …  

Und wehe, etwas läuft dann nicht so wie gedacht, dann wird gejammert und genörgelt, sie resignieren, sind häufig rasch frustriert und vor allem: die anderen sind schuld. 

Wir haben teilweise eine Lebenseinstellung (eine Unternehmenskultur) generiert, die Veränderungen im Leben einfach nicht vorsieht und wenn – dann bitte immer nur zum Besseren. 

Aber der Fluss des Lebens hat viele Schwierigkeiten, Hindernisse für uns vorgesehen – von den kleinen bis hin zu den ganz großen Krisen (Konflikte mit Kollegen, Wohnung wird gekündigt, Verlust von Arbeitsplatz, Krankheiten, Tod von Menschen, die uns sehr nahe sind, etc.).   

Ich kann die Sehnsucht nach der Insel der Glückseligkeit so gut verstehen. All das sind Situationen, die unangenehm, furchtbar und leidvoll sind. Wir wollen einfach wegsehen, wir vermeiden so gut wie möglich und halten am Gewohnten fest.

Aber so läuft das nicht, wir kommen, wenn wir nicht untergehen wollen, um eine radikale Akzeptanz der Wirklichkeit nicht herum.

 

Kein Change ohne Gefahr

Ob in Unternehmungen oder auch in eurem, meinem, individuellen Leben –Change-Prozesse jeglicher Art bringen immer Gefahren, innere wie äussere Konflikte, unangenehme Gefühle und Gedanken mit sich – und auch Leid. Zum Beispiel Hilflosigkeit, die Angst vor dem Scheitern, das Gefühl, ins Schwimmen zu geraten, den Boden unter den Füßen zu verlieren, die Unternehmung nicht mehr planen zu können, völlig zu versagen …

Wenn wir auf unser heutiges Leben schauen, dann gibt es womöglich einen Zusammenhang zwischen unserem Anspruch auf ein Leben in Sicherheit (wir haben alles im Griff und kontrollieren es!) und dem Gefühl des völligen Versagens und Scheiterns, wenn nicht etwas wie geplant läuft.

Aber diesem Gefühl sind wir nicht ausgeliefert – wenn wir die Aufgabe annehmen, vor die uns das Leben interessanterweise stellt: Nicht der andere oder die Situation soll sich ändern, sondern wir müssen uns verändern, um einen Umgang mit Schwierigkeiten zu finden.

Vielleicht sind sinnvolle Fragen für euch: Seid ihr dem Fluss des Lebens, den Veränderungen gewachsen? Habt ihr gelernt, zu schwimmen und mit Gefahren umzugehen? Werdet ihr nun in diesen Momenten, da Gefahren auftauchen, mit euren bisherigen Kompetenzen im Schwimmen den Kopf über Wasser halten können?

 

Vermeiden schwächt uns

In der Regel vermeiden wir Situationen, die für uns Angst, Furcht, Hilflosigkeit erzeugen – aber genau durch dieses Vermeiden nehmen wir uns die Möglichkeiten, Fähigkeiten aufzubauen oder zu lernen, zu erleben, dass wir Kräfte und Lösungen entwickeln, die nur in solchen Kontexten sichtbar werden. 

Courage ist in diesem Sinne ein Muskel, der schwächer wird, wenn er nicht gefordert ist.

Wir verlieren unsere Fähigkeiten, in schwierigen Situationen oder Krisen für uns wieder ein Stück Kontrolle zu erschaffen und zu handeln. Wir schwimmen nicht mehr aktiv, sondern treiben hilflos wie ein Stück Holz dahin. Jede heikle Situation, die wir meiden, jedes Mal, wenn wir uns nicht trauen, sondern versuchen, uns in sichere Komfortzonen zu flüchten, ist eine verpasste Chance, zu wachsen.

Statt uns zu stärken, unsere Krisenkompetenz zu entwickeln und unsere Ressourcen auszubauen, schwächen wir uns. Unsere Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit lässt immer mehr nach.

 

Schwimmen lernen

Aber wir – als Privatpersonen und auch Unternehmen als Ganzes – können unsere Ressourcen ausbauen, uns einen Schatz an Kompetenzen und Haltungen zulegen. Wir gehen in die Gefahrenzonen, um uns für die Stromschnellen des Lebens vorzubereiten, die wir nicht beeinflussen können. 

Wir lernen Schwimmen und dabei können uns möglicherweise manche Fragen unterstützen:

  • Wie bewerte ich verschiedene „Gefahrenzonen“ in meinem Leben, die ich meide – und unterscheide zwischen Panik, Ignoranz und einem nutzvollen Umgang?
  • Welchen Gesprächen – beruflich und privat – gehe ich aus dem Weg und warum?
  • Welche Kompetenzen habe ich oder welche Ressourcen fehlen mir, um in bestimmten Situationen, die ich vermeide, handlungsfähig zu bleiben?
  • Wann springe ich ins Wasser und stelle mich meinen persönlichen Gefahrenzonen, um zu üben, mich zu stärken, die Krisenkompetenzen für mich erfahrbar und erlebbar zu machen?
  • Wie schaffe ich für mich ein Ritual, das auf folgende Gleichung abzielt: Gefahren erkennen = Klarheit … Klarheit = Handeln … Handeln = im Leben sein … Im Leben sein = Umgang mit schwierigen Situationen meistern.

 

Schwimmen wird im Wasser gelernt

Diese Fragen sind nicht theoretischer Natur. Sie können für euch eine Idee für euren Umgang mit Veränderungen und für das Stärken eurer Krisenkompetenz liefern. 

Denn durch lediglich kognitive Beschäftigung mit Schwimmen, durch die Anhäufung von purem Wissen über das Schwimmen oder Diskussionen über die Bedeutung des Schwimmens, erlernen wir nichts! 

Wie stärkt ihr eure Krisenkompetenz? Indem ihr sie im Wasser übt. Kein Change ohne nasse Füsse …

Ihr könnt verschiedene Schwimmstile erlernen – für verschiedene Situationen im Lebensfluss. Aber auch dann wird es immer wieder Momente geben, auf die ihr nicht vorbereitet seid. Und doch könnt ihr mehr auf euch vertrauen, weil ihr eure Kräfte und Fähigkeiten trainiert habt.

Es ist nicht alles kontrollierbar. Daran ist nicht zu rütteln. Aber für euch kann jede Situation dennoch machbar sein – habt ihr denn eure Krisenkompetenz trainiert, euch einen Schatz an inneren Ressourcen aufgebaut. 

Ihr meistert die schwierigen Veränderungen, weil ihr euch ein Schatzkistchen mit hilfreichen Erinnerungen an überwundenen Gefahren angelegt habe und so zu einer gewissen Gelassenheit findet, die euch in der aktuellen Situation achtsam die richtigen Schritte unternehmen lässt.

Ein Schatzkistchen, in dem sich eure Klarheiten über erlebte Veränderungen befinden, eure Grundhaltungen über das Leben und den Fluss des Lebens, eure ganzen Lebenserfahrungen, die euch stärken: „Ach herrje, was habe ich nicht schon alles im Leben geschafft, was habe ich nicht schon alles an unliebsamen Situationen gemeistert!“

Gibt es auch keine Insel ewiger Glückseligkeit in unserem Lebensfluss, so ist es für euch vielleicht möglich, eine Schatzkistchen-Insel anzulegen. Einen Ort der „Selbst-Sicherheit“, der seine Energie aus eurem mutigen Annehmen eures interessanten Lebens bezieht. 

Das wünsche ich euch von ganzem Herzen,

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