ich freue mich sehr, dass du schon länger meine Blogbeträge verfolgst und jetzt einen wirklich feinen Grund hast, mir zu schreiben.
Immer wieder habe ich ja, wie du weißt, gepredigt, dass es Change in Unternehmen anzupacken gilt. Und so musste ich bei deinem Brief sehr schmunzeln. Du beschreibst sehr anschaulich, was hier alles falsch laufen kann.
Umso mehr freue ich mich, dass es jemanden bei dir in der Führungsebene gibt, der notwendige Veränderungen wirklich anpackt – und zwar auf eine Weise, in der du und die anderen Mitarbeiter auch sinnvoll mit eingebunden werdet – eingeladen werdet, auf die Reise mitzugehen. Leider sind diese Menschen viel zu rar gesät. Menschen wie er brauchen zwischen denen sich laut und aktiv gebenden Platzhirschen alle Unterstützung. Und gerne greife ich deinen Brief deswegen auf.
„Endlich mal ein richtige Führungskraft, der es denen im ,Old Boys Club’ zeigt!“,
schreibst du. Ja, das ist auch meine Erfahrung. Viele rufen zwar lauthals nach „Change“, sind aber selbst nicht in der Lage, nur ein bissel an sich zu ändern und sich selbst zu entwickeln. Halten sich unglaublich an ihrem etablierten Status fest. Change? Veränderungen? Pustekuchen. Alles Neue „kostet aber ganz schön viel“. Lieber erst einmal ein Strategiepapier erstellen …
Letztlich werden die wesentlichen Probleme nicht angegangen, weil sie den Mut nicht haben, eine Entscheidung zu treffen.
Die meisten Change-Projekte in Unternehmen sind deswegen Alibi-Projekte. Das ist wie im Märchen „Von einem, der auszog, um das Fürchten zu lernen“. Wobei die Führungskräfte und Geschäftsführer, die ausziehen, um in Change zu machen, nicht das Fürchten lernen. Sondern das Fürchten anderen lehren. Denn sie kommen nie besonders weit, sondern bleiben auf dem erstbesten Stein sitzen. Das heißt: Analyse, Paralyse, nur nicht handeln. Die bewegen sich nicht. Werfen vielmehr wild mit Buzzwords um sich. Von „Brüllaffen“, schreibst du Manuela. Die handeln nicht. Die beziehen ihre Leute nicht ein. Keine Kommunikation. Purer Aktionismus. Alle sitzen sie auf dem Stein und brüllen: „Wir brauchen Change!“
Doch du schreibst von einem Kerl von einer wirklichen Größe. Der zieht wirklich aus. Ich kannte auch so eine Führungskraft. Eine Frau in meinem Fall. Sie scheute sich nicht, ihre Ängste zuzugeben. Sagte mir: „Ich habe Angst, dass wir das Tempo zu hoch drehen. Dass wir die Leute abhängen. Dass die Angst bekommen im Change.“ Also habe ich mit ihr eine halbe Nacht lang eine Karte erarbeitet, auf der unter anderem die Schlüsselpositionen verzeichnet sind und welche Leute sie keinesfalls verlieren darf. Weil die auch bereit sind, den Weg zu gehen – Auszuziehen, um neue Möglichkeiten zu entdecken.
Wir haben überlegt, wie sie bei denen andocken und sie einbinden kann. Sie hat immer ein Buch dabei. Darin schreibt sie alles auf, was sie an Feedback bekommt. Beim nächsten Termin holt sie dann wieder das Buch raus und sagt: „Letztes Mal haben Sie mir ja dies und jenes gefeedbackt, deshalb mache ich heute xy.“ – die Leute fühlen sich gesehen. Präsenz führt zur Akzeptanz. Und eine solche Präsenz scheint mir auch die Führungskraft zu haben, von der du mir schreibst.
Wenn jemand in seiner Rolle als Führungskraft präsent ist, bleibt der nicht auf dem Stein hocken. Dann tut er, was aus dieser Rolle heraus wichtig ist. Er tut. Er handelt. Und er brüllt nicht, sondern weiß, was er bei Veranstaltungen sagt, mit welcher Strategie er vorgeht, welche Leute er einbindet. Das ist viel Methode – und ganz wichtig: viel persönliche Präsenz.
Wenn eine Führungskraft als Mensch präsent ist, hat das einen ganz anderen Tiefgang: Und das beschreibst du ja auch sehr schön. Wie du spürst, was diese von ihm angestoßene Veränderung bei dir bewirkt. Wie bereit du nun bist, mit all deinen Themen selbst in den Prozess reinzugehen – und dich auch zu verändern.
Denn es braucht beides. Keine Organisationsentwicklung ohne Persönlichkeitsentwicklung. Ich danke dir, dass du in deinem Brief hier einmal ein Beispiel genannt hast, bei dem das angekommen ist.